Nepal 2014: Kathmandu

Die Stadt der Götter und des Chaos
Wer die wilden und fröhlichen Siebziger Jahre live miterlebt hat, wer äußerlich und innerlich damals ein Sinnsuchender, ein Hippie war, für den war Kathamandu das Ziel seiner Wünsche und Sehnsüchte. Cat Stevens hat 1970 diese magische Stadt besungen. Viele haben alles stehen und liegen lassen und sind in diese Stadt der Verheißung gereist.
Über vierzig Jahre später schlägt mein Rest-Hippie-Herz höher, als wir die ersten Schritte durch Kathmandu machen. Hat die Stadt ihre Anziehungskraft bewahrt? Wie erleben wir die Magie dieser Stadt? Gibt es noch Hippies? Findet man hier Sinn?

Kathmandu ist das politische und kulturelle Zentrum von Nepal und mit Abstand die größte Stadt des Landes (1,5 Mio Einwohner). Die Altstadt ist geprägt von hinduistischen Tempeln (80% der Nepalesen sind Hindus). Wichtige religiöse Bauwerke und Heiligtümer finden sich in der Stadt: der Königspalast (Durbar Square), die hinduistischen Verbrennungsstätten (Pashupatinath) und buddhistische Stupas und Heiligtümer wie Bodnath, Swayambhunath, Budhanilkantha…
Die Altstadt hat eine extrem hohe Bebauungsdichte, verfügt aber weitgehend noch über die ursprüngliche Struktur mit der für die Stadt typischen Innenhofbebauung. Diese ruhigen und oft großen Innenhöfe sind in der Regel nur durch schmale, niedrige und unscheinbare Zugänge zu erreichen und bilden einen starken Kontrast zum dichten Gedränge und Lärm in den Gassen. Man muss sie suchen oder zufällig finden und sich dann bücken, um auf diese Plätze zu gelangen…
Die Altstadt, wo wir zwei Tage vor und zwei Tage nach unseren Touren wohnen, besteht – wie man lesen kann – in dieser Form seit dem 16. Jahrhundert.
Über die Gründung und Geschichte der Stadt, über die um sie rankenden Legenden, kann man massenweise Seiten im Netz finden…

Wer an einen schönen Tag im Oktober oder November die ersten Schritte in der Stadt macht (meist in Thamel, dem touristischen Zentrum), der wird erschlagen vom Verkehr, der Geräuschkulisse, den Menschenmassen und der Enge der Stadt. Der Verkehr ist fast überall gleich heftig, sei es auf den breiten Ausfallstraßen oder den oft nur zwei Meter breiten Gässchen: Busse, LKWs, Autos, Motorräder, vor allem die unvermeidlichen Vespas, die Rikschas, Fahrradfahrer, Fußgänger, Hunde, manchmal auch Kühe bilden einen scheinbar nie enden wollenden Strom an Lebendigkeit. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass alle irgendwie verlustfrei aneinander vorbei kommen. Oft ist wirklich nur ein Fingerbreit Platz zwischen einem Auto und der Hauswand. Das scheinbar wahllose und ständige Gehupe der Vehikel, das den unbedarften Touristen nervt, hat mehr Sinn und Struktur, als man anfangs glaubt. Jeder weiß die Signale zu verstehen, auch die Hunde, die oft kreuz und quer durch den dicksten Verkehr laufen, langsam laufen. Das relativ gemächlich Tempo scheint ein weiterer Grund für diese endlose Geschmeidigkeit zu sein, mit der sich alle aneinander vorbei bewegen. Rücksichtnahme, nicht auf seinem Recht des Stärkeren bestehen, kommt als innere Einstellung der Menschen noch dazu.

Ein paar Schritte durch Kathmandu, zusammengeschnitten aus Jörgs GoPro-Aufnahmen:

Nur einmal sind wir mit den Bikes für eine Viertelstunde in Kathmandu unterwegs, als wir nämlich mit den geliehenen Rädern vom Shop zum Hotel zurück fahren. Das hat uns eigentlich gereicht. Uns fehlte einfach noch die Übung und der Mut, hier länger herum zu fahren…

An unserem Sightseeing-Tag hat uns Oli, „the best driver in Kathmandu“, in seinem Kleinbus einen Tag durch Kathmandu gesteuert. Atemberaubend, schweißtreibend, faszinierend: das quirlige, doch geordnete, bunte Chaos aus dem Auto heraus mitzuerleben…
Der Straßenbelag wird zur Innenstadt hin immer abenteuerlicher: Gibt es in den Vororten noch viele Kilometer Teer mit einem sehr breiten, schlecht befahrbaren Randstreifen, bestehen die Straßen der Innenstadt eigentlich nur aus „Randstreifen“, Lehmwegen mit riesigen Schlaglöchern, Steinen, Mauerresten, Stücken von Rinnsteinen…
Wer nach oben schaut, erblickt eine andere asiatische Kuriosität: das unentwirrbare Gestrüpp von Stromkabeln, die kreuz und quer an krummen Masten und über die Straßen hängen. Kein Wunder, dass regelmäßig in der Stadt der Strom ausfällt…

Wir besuchen zusammen mit einem deutschsprachigen, nepalesischen Guide die bekanntesten Tempelanlagen Kathmandus: Swayambuh, den Affentempel auf einem Hügel Kathmandus, den Durbar Sqaure im Zentrum mit Tempeln und Palast, Boudha mit dem buddhistischen Heiligtum Great Stupa, Pashupatinath mit den hinduistischen Tempeln und den Bestattungsstätten…
Das ist vielleicht noch einen eigenen Bericht wert…

Fahrräder und Rikschas in Kathmandu sind eigentlich ein Thema für sich. Sie zu beschreiben, verführt dazu ins Detail zu gehen. Besonders die Transporträder sind so fantastisch geschmückt und ausgestattet, dass man sich allein in dieser Beschreibung verlieren könnte: künstliche Blumen, religiöse Zeichen und Utensilien, Räucherstäbchen, diverse Hupen und Klingeln, wilde Farben…
Transportiert wird mit Rädern und Rikschas eigentlich fast alles: von Fleischbrocken, Gasflaschen, Müll bis hin zu den Touristen…

Müll ist auch ein Thema und ein unübersehbares Merkmal von Kathmandu. Der europäischen Seele tut es weh zu sehen, wie damit umgegangen wird, noch mehr schmerzt es, die Umweltverschmutzung draußen in den Bergen zu sehen. In Kathmandu – könnte man sagen, wenn man so will – passt es dazu… Aber es gibt Bemühungen, Müll einzusammeln, zu entsorgen (wo?), besonders in den Touristenzentren…

Neben dem Chaos regieren in Kathmandu die Götter. Sehr faszinierend und anrührend, wie in dieser Stadt das religiöse Element den Alltag prägt, die Menschen formt, ungeachtet des touristischen Rummels drum herum. An jeder Straßenecke, in jedem Hinterhof stehen hinduistische Schreine und kleine Tempel, hin und wieder auch buddhistische. Sie stehen nicht so malerisch da, um von Touris abfotografiert zu werden, sie werden als Orte des Betens, der Besinnung, der Begegnung mit den vielen hinduistischen Göttern genutzt.
Statuen der wichtigen Hindugötter, geschmückt mit Blumen, Räucherstäbchen, Farbklecksen. Hier warten Brahma, Vishnu, Shiva und natürlich Ganesh, der Elefantengott…

Genauso prägend und die Blicke magisch auf sich ziehend sind die vielen Märkte und Verkaufsstände. Es ist erstaunlich, wie viel frisches Obst und Gemüse in dieser Stadt angeboten werden. Jeden Morgen wird an heran geschleppt, aufgebaut. Man wartet geduldig auf Käufer. Manchmal lästig sind die Besitzer der Andenkenläden, sie würden einem am liebsten in ihren Laden zerren und nicht mehr gehen lassen, bis der Laden halb leer gekauft ist.
Fast in jedem Geschäft werden die gleichen Waren angeboten: Outdoorklamotten, Folkloristisches in Unmengen, die Preise sind jedoch – wie wir gemerkt haben – stark verhandelbar. Kostet ein Päckchen Gebetsfahnen in einem Laden 1000 Rupien, bekommt man es in einem anderen Laden für 300 Rupien. Oder man handelt eben. Wenn einem ernsthaft etwas zu teuer ist und man will gehen, merken das die Profis sofort und reduzieren den Preis in großen Sprüngen… Aber meist ist „Looking free“ und man wird in Ruhe gelassen. Oft haben wir ganz nette, sympathische, gut Englisch sprechende Verkäufer getroffen, wo das Kaufen richtig Spaß gemacht hat…
Es gibt aber auch die Flötenverkäufer oder Rikschafahrer, die einem zehn Minuten lang nicht von der Seite weichen…

Abends wird es dann ruhiger. Wir sitzen vor einem Laden auf den Steinstufen und schauen dem abklingenden Treiben zu. Der Verkäufer eines Standes mit Figuren und Ketten packt seine Sachen in große Metallkisten. Bis er mit einem klapprigen Rad wieder zurückkommt, „bewachen“ wir seine Kisten. Zwei Leute wuchten die schweren Teile auf das Lastenrad und verschwinden dann grüßend in der nächsten Seitenstraße…
Ebenfalls ruhig geht es morgens zu. Müllsäcke werden eingesammelt, Taxifahrer warten auf die ersten Kunden, an fahrbaren Essensständen werden Pfannkuchen und Getränke frisch zubereitet. Die eisernen, schweren Rollläden werden hoch gezogen, Stände aufgebaut, Wasser auf die Straße gespritzt, um den Staub von den Auslagen fern zu halten oder mit großen Wedeln der Staub wird der Staub des Vortages von den Waren verjagt. Ein neuer Tag in Kathmandu kann beginnen…

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