Die gesündeste Ernährung

Eine ärztliche Analyse und Bewertung
von Dr. med. Ernst W. Henrich

Wir kennen alle die Empfehlungen aus der Presse, mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch zu essen. Die gesundheitlichen Schäden durch Fleisch und tierliche Fette wurden durch viele wissenschaftliche Studien nachgewiesen. Ebenso sind die negativen gesundheitlichen Folgen von Milch, Käse (gesättigte tierische Fette) und Eiern (Cholesterin) bekannt. Wenn Naturkatastrophen oder Terroranschläge Hunderte oder Tausende von Toten fordern, ist das Entsetzen groß. Wenn aber eine gesellschaftsimmanente Fehlernährung Millionen von Toten durch Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere ernährungsbedingte Erkrankungen verursacht, wird dies mit einem erstaunlichen Gleichmut hingenommen. Die Märchen der Fleisch- und Tierindustrie, wonach Fleisch, Milch und Eier gesunde und wertvolle Nahrungsmittel sind, werden widerspruchslos von meist ahnungslosen Verbrauchern und von offenbar uninteressierten Politikern hingenommen. Dieses Verhalten der Politiker ist völlig inakzeptabel, weil sie offensichtlich die wirtschaftlichen Interessen der Fleisch- und Tierindustrie höher bewerten als das gesundheitliche Wohlergehen der Bürger, denen sie eigentlich in erster Linie verpflichtet wären.

Die vegetarische Kost war früher den gleichen unberechtigten Verunglimpfungen ausgesetzt wie heute die vegane Ernährung. Gesunde Ernährungsarten werden aus Dummheit, Unwissen und aus wirtschaftlichen Interessen in der Presse niedergemacht. Ein Beispiel: Im Jahr 2004 starb ein Kleinkind, das durch seine Eltern angeblich vegan ernährt wurde. Tatsächlich nahm das Kind aber überhaupt keine Nahrung, also auch keine vegane Kost zu sich. Das Kind wurde auch keiner ärztlichen Hilfe zugeführt, um die der Appetitlosigkeit zugrundeliegende schwere Lungenentzündung behandeln zu lassen. Das Erstaunliche an dieser Sache ist aber nicht nur, dass das Kind überhaupt keine gesunde vegane Ernährung aufnahm, sondern dass die Eltern Anhänger einer von einem abstrusen selbsternannten „Ernährungsberater“ empfohlenen sogenannten „Urkost“ waren. Diese „Urkost“ hat aber nichts mit einer gesunden, ernährungsphysiologisch wertvollen veganen Ernährung zu tun. Die Presse hielt es wie so oft nicht für nötig, den Fall sauber zu recherchieren oder sich mit den Grundlagen der veganen Ernährung zu beschäftigen. Nein, die Presse verurteilte die vegane Ernährung mit den bekannten Vorurteilen bis hin zu einem Skandalartikel in der WELT, wo der Feuilletonist Eckehard Fuhr einen polemischen Schutzartikel veröffentlichen durfte, in dem Veganer als „übergeschnappt“ bezeichnet wurden. Dem gegenüber stehen Millionen von Menschen, die wegen massiver Fehlernährung insbesondere durch Fleisch und tierliche Fette an Übergewicht mit allen seinen Folgen, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Angina pectoris, Schlaganfällen, Arteriosklerose, Krebs, Diabetes und weiteren chronischen Erkrankungen leiden und sterben. Diese Millionen Kranken und Toten durch tierliche Produkte werden ohne Aufschrei in der Presse offensichtlich als „normal“ hingenommen. Wenn aber in einem Einzelfall bei einer angeblichen veganen Ernährung (die nicht einmal vegan war) etwas schief gelaufen ist, dann ist nicht nur der Aufschrei groß, sondern es entlädt sich eine regelrechte Empörung der Ahnungslosen und der Interessenvertreter der Fleischindustrie.

Diese Ausgüsse der Laienpresse und Lobbyisten der „Nutztierindustrie“ stehen im krassem Gegensatz zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Ernährungsforschung und den Aussagen renommiertester Ernährungswissenschaftler. So nehmen zum Beispiel in einem aktuellen gemeinsamen Positionspapier von 2003 die ADA (Amerikanische Gesellschaft für Ernährung) und die DC (Verband der kanadischen Ernährungswissenschaftler) zu den gesundheitlichen Vorteilen der vegetarischen und veganen Ernährung Stellung. In diesen Verbänden sind die renommiertesten Ernährungswissenschaftler der USA und Kanadas zu finden. Allein die ADA hat etwa 70.000 Mitglieder. In diesem Positionspapier heißt es u. a.: „Gut geplante vegane und andere Formen der vegetarischen Ernährung sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, frühe und spätere Kindheit und Adoleszenz. Vegetarische Ernährungsformen bieten eine Reihe von Vorteilen.“
Und weiter heißt es dort: „Es ist die Position der Amerikanischen Gesellschaft für Ernährung (ADA) und des Verbandes kanadischer Ernährungswissenschaftler (DC), dass eine vernünftig geplante vegetarische Kostform gesundheitsförderlich und dem Nährstoffbedarf angemessen ist, sowie einen gesundheitlichen Nutzen für die Prävention (Vorbeugung) und Behandlung bestimmter Erkrankungen hat.“
„Es liegt in der Verantwortung von Ernährungswissenschaftlern, Interessierte bei der Aufnahme einer vegetarischen Ernährung zu unterstützen und zu ermutigen.“ Auch die Aussagen eines der anerkanntesten und renommiertesten deutschen Ernährungswissenschaftler, Prof. Dr. Claus Leitzmann von der Universität Gießen, sind eindeutig: „Studien mit vegan lebenden Menschen, die weltweit, aber auch von uns durchgeführt wurden, zeigen, dass Veganerlnnen im Durchschnitt deutlich gesünder sind als die allgemeine Bevölkerung. Körpergewicht, Blutdruck, Blutfett- und Cholesterinwerte, Nierenfunktion sowie Gesundheitsstatus allgemein liegen häufiger im Normalbereich. Neben diesen positiven Aspekten bewirkt die vegane Ernährungsweise gleichzeitig, dass die Umwelt weniger zerstört wird (Gülle und Methan durch Tierhaltung), dass die sog. Entwicklungsländer eigenständiger werden (kein Import von Futtermitteln) und dass Tiere artgerecht behandelt werden. Dadurch werden Tierzucht, Tierhaltung, Tiertransporte und Tierversuche vermindert oder könnten teilweise ganz entfallen.“ Trotzdem verbreiten große Teile der Presse, der Ärzte und vermeintlicher „Ernährungsexperten“ lieber Vorurteile, Unwahrheiten der profitierenden Industrie und veraltete falsche Lehrmeinungen vergangener Zeiten. Ist es Bequemlichkeit und einfach nur Faulheit, sich nicht mit einem Thema zu beschäftigen und statt dessen lieber Vorurteile und falsche Tatsachen zu kolportieren? Ist es die eigene Angst, durch einen neuen Erkenntnisgewinn sich der eigenen Fehler in der Ernährung bewusst zu werden und dann vor der Entscheidung zu stehen, die von einem selbst in der Vergangenheit abgelehnte vegetarische oder vegane Ernährung zu wählen?
Schon das Genie des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein, sagte: "Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher." Ich bin mir jedenfalls ganz sicher, dass Albert Einstein mit seinen Aussagen Recht behalten wird.
Einstein sagte auch:
„Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.“
Die Situation ist so dramatisch, ja pervers, dass die Menschen durch den Verzehr von tierlichen Produkten nicht nur ihre eigene Gesundheit schädigen, sondern gleichzeitig auch die tierlichen Mitgeschöpfe durch eine maßlose Ausbeutung grausam leiden und sterben lassen, die Umwelt durch Gülle, Methan, Wasserverbrauch und Abholzungen wegen der Tierzucht massiv schädigen und durch Futtermittelimporte (aus den Entwicklungsländern für die Massentierhaltung der Industrienationen) den Hungertod von Erwachsenen und Kindern in der „Dritten Welt“ mitverursachen. Um 1 kg Fleisch zu „produzieren“ werden durchschnittlich etwa 16 kg pflanzliche Futtermittel benötigt. Die Tiere der Reichen fressen das Brot der Armen. Insgesamt ist dies alles eine bis ins Kleinste perfektionierte moralische Kapitulation.

Ich halte die gesamte Situation auch für einen gesundheitspolitischen Skandal ersten Ranges. Die Prävention, also die Verhütung von Krankheiten sollte, ja müsste mindestens einen so wichtigen Rang in der Medizin einnehmen wie die Behandlung von Krankheiten. Aber im milliardenschweren Gesundheitssystem mit Ärzten, Krankenhäusern, Pharmaindustrie usw. wird das große Geld mit den Behandlungen von Krankheiten verdient. Massive präventive Gesundheitspolitik würde dieser Gesundheitsindustrie einen Grossteil ihrer Geschäftsgrundlagen entziehen. Kein Wunder, dass bei dieser unglückseligen Gemengelage von Gesundheits-, Fleisch- und Tierindustrie die Prävention von Erkrankungen durch eine gesunde Ernährung weitestgehend auf der Strecke bleibt. Durch eine gesundheitsschädliche Ernährung verdienen große Teile der Nahrungsmittelindustrie viel Geld und die Bürger werden krank. Mit der Therapie der Krankheiten dieser Bürger verdient dann die Gesundheitsindustrie viel Geld. So schließt sich der Kreis, bei dem Menschen, Tiere und Umwelt auf der Strecke bleiben. Somit bleibt nur das Eigeninteresse desjenigen Bürgers, der mit einem Mindestmaß an Vernunft und Intellekt ausgestattet ist, im Interesse seiner Gesundheit auf seine Ernährung selbst zu achten. Diese kurze Zusammenfassung der wichtigsten medizinischen Erkenntnisse der Ernährungslehre und meiner langjährigen eigenen Erfahrungen sollen dabei helfen.

Leider spielt die Ernährungslehre im Studium der Humanmedizin so gut wie keine Rolle. Daher ist der katastrophale Wissensstand und die Vorurteile vieler Ärzte hinsichtlich gesunder Ernährung nicht verwunderlich. Nur ein Arzt, der sich aus eigenem Interesse und Verantwortung seinen Patienten gegenüber mit der Weiterbildung in ernährungswissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt, besitzt ein ausreichendes Wissen zum Wohle seiner Patienten.
Um das Ergebnis meiner Analyse und Bewertung vorwegzunehmen: Eine richtig durchgeführte, abwechslungsreiche vegane Ernährung ist die gesündeste Kostform für den Menschen. Bei Betrachtung der ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse kann es daran keinen vernünftigen Zweifel geben. Selbst wenn man mit geringen ernährungsphysiologischen Kenntnissen nur 1 und 1 zusammenzählt, wird dies schnell klar, da Fleisch, Milch, Käse, Eier und teilweise Fisch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken behaftet sind, die vielfach dokumentiert werden konnten. Allerdings wird aus einer Ernährung, aus der man lediglich Fleisch, Milch, Käse, Eier und Fisch weglässt, nicht automatisch eine gesunde Nahrung. Denn eine falsch zusammengestellte, nicht abwechslungsreiche vegane Ernährung ist auch ungesund! Dies gilt trotz der Tatsache, dass die Mehrzahl der sich vegetarisch und vegan ernährenden Menschen einen besseren Gesundheitsstatus aufweisen als Fleischesser.

(Quelle: http://www.peta.de/lifestyle/veg-intro/ernaehrungtext.pdf)