Bilanz: 1 Jahr Ebike

Nach einem Jahr auf einem Ebike kann man getrost ein bisschen Bilanz ziehen, was auch bedeutet: ernsthaft für sich selbst zu reflektieren, wo die Vor- und Nachteile liegen, wenn man mit solch einem Gerät unterwegs ist…

Grundsätzlich liegt es an einem selbst, wie man das Ebike nutzt. Das setzt natürlich etwas Willensstärke und Motivation voraus, denn es ist schon verführerisch, sich von seinem Ebike „verwöhnen“ zu lassen. Wer eh zur Bequemlichkeit neigt, den wird ein Ebike -sportlich und leistungsmäßig gesehen- in eine „Sackgasse“ führen.

1 Das wäre schon mal ein Nachteil
2 Man ist mit einem schweren, sehr unhandlichen Gerät unterwegs, was sich bei Hindernissen als sehr unpraktisch und schweißtreibend erweisen kann. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine kleine Tour über den Schluchtenweg, wo ich kurz vor der Erschöpfung stand und beinahe das Rad auseinander gebaut hätte (Akku, Laufräder), um eine steile Felspassage zu überwinden. Da ist es schon hilfreich, wenn man mindestens zu zweit unterwegs ist und gemeinsam ein Rad über die Hindernisse tragen bzw. heben kann. Ansonsten ist eine sorgfältige Planung einer Tour, besonders im Gebirge, absolut notwendig. Längere Tragepassagen machen da keinen Sinn und keinen Spaß.
3 Der Verschleiß gewisser Teile am Rad ist höher als bei einem normalen Rad. So unterliegen Kette und Bremsbeläge einer sehr großen Belastung und halten merklich weniger lang als gewohnt. Was letztlich auch ins Geld geht.
4. Ein Ebike braucht ein bisschen mehr Pflege und Wartung, was mit dem Verschleiß zusammen hängt: Eine gepflegte Kette hält länger… Aber auch der Akku will regelmäßig kontrolliert und aufgeladen werden, sonst gibt es unterwegs böse Überraschungen…
5. Eine längere Tour, zum Beispiel eine Tagestour, verlangt eine gute Planung- wie schon gesagt, um Tragepassagen zu vermeiden. Aber auch die Reichweite des Akkus muss berücksichtigt werden. Oder man plant eine Ladestation unterwegs ein. Es ist uns bei gemeinsamen Touren ein paar Mal passiert, dass Elisabeths Akku (Bosch, 500 Wh) gegen Ende der Tour leer gefahren war. Man kommt trotzdem nach Hause, denn das Rad fährt immer noch, aber der Kraftaufwand, das schwere Teil eine Steigung hinauf zu bringen, ist hoch und irgendwann ist der eigne Akku auch leer. Räder tauschen, den „leeren“ Partner ziehen, sind weitere Möglichkeiten, ans Ziel bzw. nach Hause zu kommen…

Bevor die Vorteile dran kommen, muss eins vorausgeschickt werden: Zugegeben, ein anderes Rad kam im zurück liegenden Jahr eher weniger zum Einsatz, vielleicht einmal pro Woche und das meist bei kurzen, flachen Strecken. Im Gelände gab ich meist dem Levo den Vorzug. Und das liegt nicht nur an der Motorunterstützung, sondern mehr an der Geometrie und dem „Charakter“ des Rades. Ich sitze auf ihm einfach gut, d.h. sehr bequem und durch die versenkbare Sattelstütze kann ich die Sitzposition meinen Bedürfnissen gut anpassen. So wird auf langen Touren irgendwann die Sattelstütze abgesenkt und die Haltung eines coolen Downhillers eingenommen, was den Rücken aufrichtet und entspannt.
Dann: die fetten 29er Reifen mit 2,6 Breite schaffen Sicherheit, Griffigkeit und gute Dämpfung, sie überrollen größere Hindernisse gut und brechen auch bei geringem Luftdruck in den Kurven nicht aus.
Das Rad liegt allein schon durch sein Gewicht stabil auf dem Trail oder Schotterweg und der breite Lenker schafft zusätzlich Sicherheit. Also: Auf den Trails fühle ich mich auf dem Levo erheblich wohler, weil sicherer als mit dem Liteville oder den anderen Biobikes…

1 Abgesehen von den Vorteilen des 29er Levo insgesamt bietet die Motorunterstützung natürlicherweise eine schöne Kraftreserve, die man nutzen kann, wenn man sie braucht. Das setzt logischerweise voraus, dass man grundsätzlich wenig im Turbo-Modus fährt, sondern in der niedrigsten Unterstützungsstufe. Das sind bei mir zur Zeit und in der Regel 30% der möglichen Unterstützung. Die zweite Stufe bringt 60%, die dritte, der Turbo, dann die 100% Unterstützung. Diese Bereiche kann ich über eine App selbst nach Bedarf korrigieren bzw anders einstellen.
2 Einen großen Vorteil des Ebike kann man mit dem Begriff „Flexibilität“ umschreiben. Gleich, ob ich gut drauf bin, etwas krank oder einfach müde – Ebike-Fahren geht dann noch, denn ich kann die Anstrengung selbst steuern und kontrollieren und meinem Zustand anpassen.
Wenn ich möchte, kann ich mit diesem Rad auch effektiv trainieren, was inzwischen viele sog. Profis auch tun. Eine Testphase, in der ich mit Pulsmessung gefahren bin, hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, auch in höhere Pulsbereichen zu kommen. „Zur Not“ kann man den Motor komplett ausschalten und allein das Gewicht des Rades treibt deinen Puls schnell in die Höhe. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Ebike-Fahren nicht gleichzusetzen ist mit Leistungsabfall. Meine Ruhepulswerte haben sich in diesem letzten Jahr merklich verbessert. Ein Grund ist wohl im mehr gleichmäßigen Fahren zu sehen (Grundlagenausdauer), zum anderen fährt man mit dem Ebike einfach auch mehr. Zumindest ich :-)
3 Die größere Reichweite durch das Ebike und damit längere Touren sind die eine feine Sache, die andere liegt darin, nun andere Touren fahren zu können, nämlich solche mit mehr Steigungen, mehr Höhenmetern. Inzwischen fahre ich auch Trails, die bisher nur als Downhill zu fahren waren, gern mal in umgekehrter Richtung. Was nicht unbedingt in einer Gruppe mit Biobikern auf Zustimmung stößt…
4 Auch das Fahren in einer Gruppe, die meist mit normalen Rädern und mehr Kondition unterwegs sind, ist das Ebike eine große Hilfe. Niemand muss mehr auf einen warten, man muss der Gruppe nicht mehr hinterher hecheln, man sollte aber auch seine Vorteile nicht demonstrativ ausspielen…
Als derjenige, der meist die Fotos macht, bin ich jetzt in der Lage, das viel entspannter zu tun, kann mal anhalten, ohne dass dies die anderen auch tun müssen, ohne dass die Gruppe lange auf mich warten muss. Man kann ein gutes Stück vorausfahren, um ein passendes Motiv vor die Linse zu bekommen. Auch hier: Flexibilität.
5 Wer einen Anhänger im Stall stehen hat, der kann das Ding wunderbar an sein Ebike hängen und schwere Lasten transportieren. So gehen wir immer öfter inzwischen sogar Großeinkauf machen…

Persönliches Fazit
Nach einem Jahr möchte ich das Rad nicht mehr missen. Das Wichtigste für mich: Es verschafft mir noch mehr Freiheit als es das Radfahren so schon tut. Sowohl in der Gruppe als auch allein kann ich alle Möglichkeiten, die ein Ebike bietet, nutzen. Sogar das hohe Gewicht ist in bestimmten Fahrsituationen und Geländebeschaffenheiten ein Vorteil, da es mir Stabilität und Sicherheit bringt…

…noch ein paar Daten zu 1 Jahr Ebike:
Daten zum Spezialized Levo Comp
Kilometer: rd 9 000
Verschleiß: 5 Sram-Ketten (Wechsel im Schnitt bei 1600 km)
2 Paar Bremsbeläge
1 Satz Reifen
Ladezyclen Akku: rd 100

Eine Antwort auf „Bilanz: 1 Jahr Ebike“

  1. Hallo Norbert, dein Plädoyer für grosse Laufräder, breite Reifen und versenkbare Sattelstütze spricht mir aus dem Herzen. Das macht mehr Spaß und ist sicherer. Seit du damals dein Liteville bekommen hast, ist natürlich viel Zeit vergangen. Ein neues Liteville bietet natürlich auch diese Features und so würde ein Vergleich alt mit neu auch ähnlich ausfallen. Gibt es übrigens eine Quellenangabe für die angesprochenen wissenschaftlichen Untersuchungen?

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