MTB: eine Sucht?

Da sagt mir einer doch: Ach, du bist doch schon süchtig! Er meint nicht Nikotin, nicht den Alkohol, nicht irgend welche Medikamente, auch nicht das Spielen am Computer oder das Arbeiten – er meint das Mountainbiken. Kann das sein? Bin ich, sind wir süchtig?
Die Fachleute (hier die Sportpsychologen) sagen:
Unter Sucht oder Abhängigkeit versteht man eine zwanghafte Befriedigung eines Bedürfnisses. Dabei wird das Bedürfnis als ein unerträglicher Zustand der inneren Spannung und Leere erlebt. Eine Befriedigung hebt den Zustand nur kurzfristig auf, der Zustand wiederholt sich dann gesteigert.

Als Zwang kann es schon erlebt werden, mehr oder weniger stark. Aber eine sich wiederholende Steigerung? Eher nicht.
Die Begriffe Sucht und Abhängigkeit sind gleichbedeutend, wobei das Wort Sucht eher im umgangssprachlichen Bereich und das Wort Abhängigkeit eher im medizinisch-therapeutischen Bereich verwendet wird. Bestimmte Abhängigkeiten (zum Beispiel Nahrungsaufnahme) sind generell gegeben. Eine problematische oder krankhafte Abhängigkeit meint verschiedene Formen des Angewiesenseins auf bestimmte Stoffe, Mittel, Situationen oder Handlungen. Dieses Angewiesensein bezieht sich sowohl auf den Körper, als auch auf die Seele.
Seelische Abhängigkeit drückt sich aus als ein unbezwingbares und unkontrollierbares Verlangen nach kontinuierlicher Einnahme eines Stoffes oder der Durchführung einer bestimmten Handlung und dem damit verbundenen Gefühlszustand oder Erlebnis (zum Beispiel Spielsucht, Computersucht, Magersucht).

Ist mein Verhalten, der Wunsch aufs Bike zu steigen, schon unkontrollierbar, zwanghaft? Dem stehen doch im Alltag zu viele praktische Hindernisse im Weg: fehlende Zeit, defekte Bikes, zu schlechtes Wetter…
Bei nicht stoffgebundenen Suchtmitteln existiert eine seelische Abhängigkeit. Nicht das Suchtmittel an sich bildet die Gefährdung, sondern die psychosoziale Abhängigkeit von einem Lebensgefühl, dem Wunsch nach Gefühlen, von denen man annimmt, diese ohne Suchtmittel nicht erreichen zu können. Beispiele für nicht stoffgebundene (stoffungebundene) Süchte: Spielsucht, Kaufsucht, Computersucht, Fernsehsucht und die Sportsucht… (nach www.sign-project.de)

Bei der so genannten Sportsucht (auch Fitnesssucht) handelt es sich um eine nichtstoffliche Sucht, die unter den Oberbegriff Verhaltenssucht fällt. Betroffene leiden unter dem inneren Zwang, sich täglich oder mehrmals wöchentlich sportlich zu betätigen, wobei die erbrachte Leistung eine wichtige Rolle spielt und kontinuierlich gesteigert wird. In den USA ist der Begriff seit etwa zehn Jahren bekannt. Bei einem Teil der Sportsüchtigen liegt gleichzeitig eine Essstörung vor; in diesen Fällen dient extensives Trainieren vor allem dazu, das Körpergewicht zu reduzieren und ein bestimmtes Figurideal zu erreichen. Bei Männern ist auch der zwanghafte Wunsch, immer mehr Muskelmasse aufzubauen, bekannt; dafür gibt es den Fachbegriff Muskeldysmorphie (Muskelsucht). Psychologen schätzen, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Bevölkerung von Sportsucht betroffen ist.
Für die Entstehung von Sportsucht gibt es mehrere wissenschaftliche Erklärungsansätze. Auf der psychischen Ebene kann Leistungssport dazu dienen, das Selbstbewusstsein zu steigern, Misserfolge in anderen Bereichen zu kompensieren und der Bewältigung von Problemen auszuweichen. Völlige körperliche Erschöpfung wird häufig angestrebt und als Erfolgserlebnis gewertet.
Ein anderer Erklärungsansatz betont die Bedeutung der körpereigenen Hormonproduktion. Bei intensiver sportlicher Betätigung schüttet der Körper verstärkt Endorphine aus, die den Organismus im Extremfall in einen Rauschzustand versetzen können. Langstreckenläufer bezeichnen diesen Zustand als Runner’s High.
Auch ein Zusammenhang mit den aktuellen Idealen in den westlichen Leistungsgesellschaften wird angesprochen. Leistung hat einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und ist positiv konnotiert, hinzu kommen die vorherrschenden Schönheitsideale, die sich zunehmend auch auf Männer beziehen.

Merkmale für das Vorliegen einer Sportsucht sind nach Angaben von Sportpsychologen:
* Ausdauersport ist ein zentraler Lebensinhalt?
* bei erzwungenem Verzicht auf Sport treten körperliche Symptome wie Nervosität und Magenschmerzen auf oder psychische wie Schuldgefühle oder Depressionen?
* die Belastung wird kontinuierlich gesteigert?
* der Drang zu trainieren wird als innerer Zwang erlebt?
* körperliche Warnsignale vor Überlastung werden ignoriert?
* es wird auch bei Verletzungen weiterhin trainiert?
* soziale Kontakte werden wegen des Sports vernachlässigt oder aufgegeben?
* Das sportbezogene Verhalten kontrolliert die Person, nicht umgekehrt?
Können fünf Punkte mit einem Ja beantwortet werden, dann ist der Begriff „Sucht“ angemessen.

Zugegeben, es wird knapp, viel fehlt nicht.

Das Nachdenken und Schreiben über das Mountainbiken als Sucht muss jetzt unterbrochen werden, denn es hat jemand an der Tür geklingelt, er will mit mir eine „kleine“ Mountainbiketour machen…
(Fortsetzung folgt)

Eine Antwort auf „MTB: eine Sucht?“

  1. Ich stehe absolut zu meiner Mountainbiksucht und lebe diese Sucht voll und ganz aus so wie es mir meine Lebensführung zulässt.
    Allerdings gehen bei mir der Trainingszwang im Sinne der Leistungssteigerung nicht mit einher, dennoch kontrolliert mich das ERLEBNISbezogene Verhalten – also nix wie aufs Rad – und welche Location als nächsten – und welcher Trail wo -und wie komme ich da hin, wie perfektioniere ich mein „Arbeitsgerät“ und meine Ausrüstung…..
    Das Geht durchaus mit den negativen Aspekten einer Sucht einher Job und Leute zu vernachlässigen um Biken zu gehen.(Ja was will ich denn auf der Maloche, bei Rumhocken und Fressen, Fernsehen oder Einkaufen und mich über Blödsinn unterhalten wie die anderen Bequemchen ??? Dann gehe ich lieber Biken !!)
    Mit Ausdauersport hat das bei mir eher nichts zu tun da Bergabfraktion.

    Trotzdem ist Mountainbiken mein zentraler und mich dominierender Lebensinhalt geworden.

    Fühle ich mich deswegen schlecht? NEIN!!!

    Ich fühle mich draußen auf dem Bike erst richtig lebendig!

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